Copyright © by Den danske historiske Forening. ZUSAMMENFASSUNG: NILS G. BARTHOLDY Der Adelsbegriff während des älteren Absolutismus
(12, V, 648-650)
Im Jahre 1660 wird in Dänemark der Absolutismus eingeführt. In den darauffolgenden Jahren setzen verschiedene Bemühungen ein, um die Ergebnisse des Staatsumsturzes festzuhalten. Ein charakteristischer Zug bei diesen Bemühungen ist die Umformung und Entwicklung des Adelsbegriffes. Der Adel muss als eine exklusive Gruppe der Gesellschaft definiert werden, in Besitz eines Komplexes von Vorrechten, von den Zeitgenossen selber als adlig aufgefasst und formuliert. Die Epoche 1660-1730 - der ältere Absolutismus - ist in dieser Beziehung ein markanter Zeitabschnitt. Während der Adelsherrschaft 1536-1660 konstituiert sich der Adel durch seine tatsächliche Ausübung von adligen Funktionen und erhält dadurch den Charakter einer organischen Gruppe der Gesellschaft. Nach und nach machen sich jedoch gewisse konservative Tendenzen bemerkbar, und gegen 1660 hin macht der erbliche Geburtsadel eine fast geschlossene Korporation mit weitgehenden politischen Rechten aus. Diese gehen beim Systemwechsel verloren, und in revidierter Gestalt konkretisiert man die übriggebliebenen materiellen Vorrechte in den Adelsprivilegien vom 24. Juni 1661, die fernerhin dem Geburtsadel den Vorrang vor den königlichen Beamten bürgerlicher Herkunft aberkennen. Der Bedarf des Absolutismus an loyalen Staatsdienern bewirkt, dass die königliche Gewalt dem Adelsbegriff einen neuen, und im Verhältnis zum Absolutismus, sinnvollen Inhalt verleiht. Auf Grund der Rangverordnung vom 25. Mai 1671 mit seiner Aufzählung von einer langen Reihe von staatlichen Ämtern erlässt Christian V. die Privilegien für Beamte von bürgerlicher Geburt vom 11. Februar 1679. Sie erteilen Personen mit spezifiziertem Rang persönliche Adelsschaft (einschliesslich Ehefrau und eheliche Kinder des ersten Glieds); die sogenannten Wappenbriefe werden auf Grund dieser Adelsprivilegien ausgestellt, und die Registrierung in den Adelsprotokollen wird ganz gemäss den traditionell geformten Adelspatenten vorgenommen. Die Herstellung von Registern über Rangpersonen wird zu gleicher Zeit in der Kanzlei aufgenornmen. Diese Register werden 1734 vom gedruckten Hof- und Staatskalender abgelöst. Sonderrang war durch individuellen Rangbrief gegen Bezahlung zu erlangen. Der rangbestimmte Adelsbegriff, der auf längere Sicht die Möglichkeit einer sozialen Mobilität bisher unbekannten Umfangs öffnete, hinterlässt deutliche Spuren in »Danske Lov« von 1683. Und infolge der Prinzipien des neuen Adelsbegriffes wird hier festgestellt (3-2-2), dass sich eingewanderter Adel die Naturalisation automatisch erwirbt, falls er ranggebundene Chargen erlangt. Der stupende Fall der Zahl der formellen Naturalisationen nach 1683 deutet darauf hin, dass Fremdadlige in dänischem Dienst erbliches Adelsrecht erhalten, andernfalls wäre ohne Zweifel um formelle Naturalisation angesucht worden gemäss den Gepflogenheiten von Beamten bürgerlicher Herkunft, die aus Rücksicht auf ihre Nachkommen ihre persönliche Adelsschaft gegen eine erbliche einzutauschen versuchen. Erst das Staatsbürgergesetz von 1776 verursacht einen Anstieg der Zahl der Naturalisationen. Das klare zeitgenössische Bewusstsein der Provenienz der verschiedenen Adelsgruppen hinterlässt in den sprachlichen Formulierungen deutliche Spuren. Das blosse Wort »Adel« wirkt zu jener Zeit als belastend, es wird unwillkürlich mit der alten Geburtsaristokratie verbunden. Die Masse der Rangadligen bürgerlicher Herkunft wird daher »gleich dem Adel Privilegierte« genannt. Der Begriff des Adels enthält also mehr als die zeitgenössische Bezeichnung des Wortes »Adel«. Eine Untersuchung der Anwendung der heraldischen Rangzeichen bestätigt den rangbestimmten Adelsbegriff, und eine Analyse der vorkommenden Formeln in den Adelsprotokollen nach 1679 führen zum selben Ergebnis. Mit der Rangverordnung vom 11. Februar 1693 wird der rangbestimmte Adel graduiert, derartig dass Beamte bürgerlicher Herkunft mit Rang innerhalb der drei höchsten Klassen ohne weiteres erblichen Adel besitzen, während die Regeln persönlicher Adelsschaft fortfahrend für den Rest der Rangklassen gilt. Eine Analyse über den Rang der Patentempfänger 1693-1730 bestätigt das. Es scheint die Absicht Christians VI. gewesen zu sein, den erblichen Rangadel aufzuheben, ohne dass es doch deutlich zum Ausdruck kommt. Der in »Danske Lov« eingeschriebene persönliche Rangadel bleibt weiterhin bestehen, bis man ihn 1808 einschränkt auf die drei höchsten Rangklassen. Mit dem Grundgesetz von 1849 wird die Adelsschaft in öffentlichrechtlichem Verstand abgeschafft. Nicht nur formelle Betrachtungen bestätigen den rangbestimmten Adelsbegriff. Auch durch verschiedene praktische Verknüpfungen kann seine Existenz nachgewiesen werden. Die Aufnahme in die königliche ritterliche Akademie, gegründet 1691, stand jedermann offen, der die Beamtenausbildung und eine darauf folgende Laufbahn mit adligem Status wünschte; ein bedeutender Teil der Akademisten war bürgerlicher Herkunft. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt man in bezug auf den Rangadel, wenn man die Provenienz der Eingeschriebenen der adligen Jungfernklöster untersucht. In mehreren Fällen tragen die Stiftungsurkunden deutlich Zeichen des Adelsbegriffs der neuen Zeit. Eine Bestandaufnahme der Dannebrog-Ritter weist ebenfalls auf eine Interpretation des Zugehörigkeitskriteriums gemäss dem rangbestimmten Adelsbegriff hin. Als lokale Beamte Mitte des 18. Jahrhunderts der Kanzlei eine Eingabe über Adlige in den Stiftern wohnsässig herzustellen hatten, liefen etlichen Referenten der rangbestimmte Adelsbegriff spontan in die Feder. Die Inspiration für den Adelsbegriff des dänischen Absolutismus ist u. a. in der zeitgenössischen nobilitätstheoretischen Literatur zu suchen. In den Theorien einiger französischer Juristen über »noblesse de robe« findet man ganz auffällig die Prinzipien des Adelsbegriffs, den Christian V. sehr präzise in seinen Rangverordnungen und Privilegien formuliert. Ein Seitenstück dazu war die russische Rangtabelle von 1722; das dänische Rangsystem war wahrscheinlich Vorbild für Zar Peter den Grossen, der 1716 Dänemark besuchte. Die hier vorgetragene Auffassung vom Adelsbegriff während des älteren
Absolutismus als integrierter Teil der sozialen Struktur, die in wesentlichem
Masse das absolutistische System an sich charakterisiert, widerspricht
der früheren Theorie, wie sie in Abhandlungen und einschlägigen
Nachschlagewerken zum Ausdruck kommt. Das gilt vor allem in bezug auf die
Auffassung des Adelshistorikers Anders Thiset (gest. 1917), worauf spätere
Forscher fast kritiklos gebaut haben. Thiset, dessen Sondergebiet der Adel
vor 1660 war, fasste den Adelsbegriff als etwas zu allen Zeiten Unwandelbares
auf und betrachtete die Verhältnisse des älteren Absolutismus,
nicht aus der Sicht der eigenen Voraussetzungen dieser Epoche, sondern
aus der Sicht von Vorsteflungen, die in viel älterer Zeit wurzelten.
Infolgedessen wurde der Adelsbegriff, den er »Danmarks Adels Aarbog«
(1884f.) und »Nyt dansk Adelslexikon« (1904) zugrunde legte,
besonders exklusiv; dadurch liegen diese Publikationen der geschichtlichen
Wirklichkeit begriffsmässig fern. Seine unhaltbare Ansicht, besonders
was den Adel des älteren Absolutismus betrifft, ist in der Abhandlung
»Begrebet Dansk Adel, særlig med Hensyn til Kong Christian
V's Adels- og Vaabenbreve« (Historisk Tidsskrift 7. Reihe Band II,
1899-1900) zum Ausdruck gekommen. Thiset bestreitet hier jede Zusammengehörigkeit
des Rangsystems mit Adelsschaft. Nur die alte einheimische Aristokratie
und Geschlechter, die durch ein individuelles Patent mit einer von der
vorigen Zeit geprägten Formel ausdrücklich nobilitiert oder naturalisiert
worden sind, zählt er zum dänischen Adel.
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